Von sterbenden Schwänen, verschwindenden Discountern und Wertschätzung
Interview mit Affineur Walo von Mühlenen / Cheese World Champion
von Stefan Sollberger, https://www.sollberger-ag.ch/de/ueber-uns/portrait/?oid=1886&lang=de
Veröffentlicht am 5.07.2021
Du kommst aus einer Familie von Unternehmern, was ist das Faszinierende daran und warum hast du dich entschlossen Unternehmer zu werden?
Ich wurde Unternehmer, weil es einfach das ist, was mir entspricht und was ich kann.
Es kann sein, dass es in der Familie liegt, die letzten 4 Generationen meiner Familie sowohl von der Seite meiner Mutter als auch von der Seite von meinem Vater waren alle Unternehmer. Vielleicht war dies der Grund, dass ich mit 14 Jahren, das erste Mal eine Firma gründen wollen. Hat nicht ganz funktioniert, aber der Impuls eine Firma zu bauen, wenn ich eine Vision habe, ist geblieben.
Gleichwohl habe ich es nach dem Studium, als Angestellter versucht. Ich habe mir einen großen internationalen Konzern ausgesucht, aber da war das Entwickeln von Visionen und deren Umsetzung nicht geplant. Ich habe, dann noch in zwei andere internationale Konzerne Unruhe gebracht, bis mich ein Arbeitgeber auf einen Job verschieben wollte, der mir nicht passte. Das war das Ende meiner Versuche eine
„cooperate“ Kariere zu machen und ich wurde Unternehmer.
Als wir das Unternehmen verkauften, wollte der Käufer unbedingt, dass ich dabeibleibe, und so wurde ich wieder zum Angestellten. Es kam, wie es kommen musste, nach kurzer Zeit sprengten meine Visionen und meine Werte die Flexibilität des Arbeitgebers und ich wurde ich wieder Unternehmer. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass es das ist, was ich kann.
Käse ist nicht gleich Käse, die Qualität steht im Vordergrund, welcher steht im Vordergrund, welcher wird am meisten gekauft und warum?
Die großen Märkte werden von charakterlosen Industriekäse beherrscht, der meistkonsumierte Käse ist Mozzarella auf Pizzen. Diese Käse sind nicht schlecht, aber die große Freude beim Essen kommt nicht auf, sie erledigen einfach Ihren Job.
Ich würde den Markt in zwei Segmente aufteilen:
- Die charakterlosen Industriekäse
- Traditionell hergestellte Blumenwiesen-Käse mit natürlicher Rohmilch.
In beiden Segmenten gibt es dann noch Unterscheidungen wie Bio, Vegetarisch etc. In beiden Segmenten sind Innovationen möglich. Ich arbeite zurzeit an Projekten, die in beide Segmente passen.
Es gibt unzählige Käse, die irgendwo dazwischen liegen, aber diese werden nicht überleben. In der digitalen Welt ist der Konsument einer riesigen Flut von Informationen ausgesetzt und nur klar positionierte Angebote mit ehrlichen Werten und Visionen werden wahrgenommen.
Früher, da konnte mit viel Werbung irgendetwas vorgaukelt werden. Ich bin überzeugt, dass dies immer weniger akzeptiert wird. Zudem steigt das Kommunikationsbudget ohne klare Positionierung ins unermessliche. Bei der Kommunikation ist wie allen anderen Abteilungen in einer Firma, überleben wird derjenige, der die beste Kosten-Nutzen Relation hat.
Am besten sieht man dies an den Firmen, die in den letzten Jahren wirklich erfolgreich waren. Zum Beispiel Apple oder Tesla haben sehr wenig in die Kommunikation investiert, aber deren Leader Steve Jobs und Elon Musk haben eine Vision, eine Positionierung und Werte geschaffen, das reichte.
Hat sich das Kundenverhalten während der Krise der verändert?
Unser Leben hat sich verändert und damit auch unser Konsumverhalten. Der außer Haus Konsum war verboten und zuhause wurden mehr Milchprodukte und Käse konsumiert.
Dies führte zu neuen Umsatzrekorden beim Lebensmitteleinzelhandel. Aber auch innerhalb des Einzelhandels hat sich einiges verändert. Der Konsument
wollte möglichst rasch aus dem Laden rauskommen und es war auch nicht möglich etwas zu probieren. Darunter haben die Bedienungstheken gelitten. Da der Blumenwiesen- Käse ausschließlich an Theken erhältlich ist hat er auch etwas gelitten. Ein weiteres Problem war, dass es fast nicht möglich war neue Produkte in die Theken zu bringen. Positiv war, dass viele Konsumenten bewusster eingekauft haben. Sie haben die Produkte hinterfragt und es wurden mehr Bio und traditionell hergestellt Produkte verkauft.
Ein weiterer Trend, der verstärkt wurde, war die Digitalisierung. Im Lebensmittelbereich wird auch hier noch ein großer Schub kommen. Vor allem Discounter werden überflüssig. Deren Standardsortiment ist bekannt, Erklärungen oder sonst welche Dienstleistungen sind nicht nötig. Es gibt also keinen Grund, dass ich diesen Einkauf nicht am Computer tätigen kann. Auf der anderen Seite wird die Beratung an der Theke immer wichtiger. Der Konsument wird gezielt die Theke aufsuchen, um sich beraten zu lassen, neues zu entdecken und zu probieren, Nachbestellungen wird er Online tätigen. Der erfolgreiche Einzelhandel wird in Zukunft in die Beratung und in die Online-Bestellung investieren müssen. Diese Entwicklung im Einzelhandel wird die Segmentierung verstärken, die Theken werden nicht mehr bereit sein, Produkte, die im Discounter sind, zu verkaufen.
Wir kennen das bereits vom Fernsehfachhändler, der nicht mehr bereit ist, einen Kunden zu beraten, der dann nach Hause geht und dort das billigste Angebot im Internet sucht.
Genossenschaften, Bauern und das entsprechende Verhalten, wo siehst du hier die zukünftigen Herausforderungen im umkämpften Markt? Man hat wohl auch tiefere Margen und sinkende Aufträge in gewissen Segmenten.
Auch für die Genossenschaften gilt, es gibt 2 Segmente, billige Massenware oder Blumenwiesen-Käse. Dies bedeutet auch Sie müssen sich klar positionieren und egal in welchem Segment Sie sich bewegen, die Herstellkosten müssen konkurrenzfähig sein.
Es nicht nötig, dass jede Käserei eine eigene Vision aufbaut. Sie können auch mit Unternehmen und Sorten Organisationen zusammenarbeiten und deren Visionen und Werte umsetzen. Wichtig ist, dass sie sich rechtzeitig von sterbenden Schwänen trennen. So ein halblebendiger Schwan ist der Emmentaler, dieser hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich an Marktanteil verloren. Investitionen in diesen Markt sind nicht sinnvoll. Auf der anderen Seite gibt es aufstrebende Märkte und Marken und da sollte man investieren.
Viele kleine Genossenschaften sind überfordert, mit der Führung der Käserei. Ich treffe immer wieder Genossenschaften, die einfach nichts machen. Aufhören wollen Sie nicht, weil die Hypothek zu hoch ist, der Mut zum Investieren fehlt gleichwohl. Da der Gewinn über den Milchpreis gesteuert wird, wird der Milchpreis gesenkt und die alte Struktur erhalten, bis eine große Reinvestition ansteht.
Es gibt ja den Film Ueli der Knecht, da wurde mit Wasser die Milch verwässert, ist die heutzutage auch noch ein Thema?
Die Käsereien testen regelmäßig die Milch und ein Betrug würde rasch auffallen. Man könnte auch weiße Farbe in die Milch schütten, aber wie der Skandal in China gezeigt hatte, ist auch diese Strategie nicht zielführend.
Gerade beim Käse wird der Konsument oft an der Nase herumgeführt. Ein Industriekäse wird als ein traditioneller Käse verkauft und viele Hersteller tricksen mit den Zutaten und der Milchbehandlung. So werden zum Beispiel viele Käse in Europa mit Antibiotika behandelt, damit Sie nicht schimmeln. Dies muss deklariert werden, aber wer kennt schon E Nummern oder wer weiß was hinter den Namen steckt.
Aber nicht nur der Konsument wird getäuscht auch dem Handel werden Käse verkauft, die nicht klar positioniert sind. Zum Teil sehe ich in erstklassigen Bedienungs-Theken Käse, die ich auch im Discounter finde. Jede Minute, die die Fachkraft in diese Käse investiert, ist verlorenes Geld. Der Konsument wird diesen Käse in Zukunft billiger im Discounter kaufen.
Ich bin der Meinung, dass diese Trickserei kurze Beine hat. Aus diesem Grunde haben wir beim Blumenwiesen-Käse mit natürlicher Rohmilch klare Kriterien festgelegt und diese auf unserer Homepage veröffentlicht, da kann jeder nachlesen was drin ist, was die Kühe für Futter bekommen, wie die Milch behandelt wird und wie der Käse produziert wird. Der Blumenwiesen-Käse hat auch garantiert keine E-Nummern, dafür Charakter und ein Aroma, das nie langweilig wird.
Wir affinieren den exklusiven Blumenwiesen-Käse damit unser Kunde ein einzigartiges Angebot hat. Dies bedeutet, dass wir sein Geschäft genauso respektieren, wie wenn es unser eigenes wäre, dies gilt auch für die Kunden unserer Kunden. Nur mit gegenseitiger Wertschätzung werden wir
erfolgreich sein. Wir sollen wir sonst erwarten, dass die Käsetheke den Konsumenten wertschätzt.
Du arbeitest vor allem international sprich auch im Bereich Export, welche Länder sind für dich interessant und warum?
Der wichtigste Exportmarkt für Schweizer-Käse ist Europa. Deutschland gefolgt von Italien, Frankreich, Belgien, England, ein großer Markt ist auch USA. In Asien, Südamerika, Naher Osten Afrika und Australien ist der Schweizer Käse ein kleines Nischenprodukt. Ich bin in fast allen größeren und kleineren Märkten tätig, wobei der Schwerpunkt ganz klar in Europa liegt. In der Schweiz verkaufe ich kein Kilo, nicht weil ich nicht will, sondern weil ich bis heute keinen Distributionspartner gefunden habe, der meine Vision und Werte teilt. Meine Käse irgendwo zu verkaufen, wird für uns und den Partner nur in Frustration enden.
Welche Abenteuer möchtest du noch in deinem Leben erleben und warum?
Ich habe noch sehr viele Käse Projekte, die ich umsetzen möchte, so viele, dass ich nicht weiß, wo anfangen. Vor Corona hatte ich einige Reisen geplant vor allem nach Afrika, die werde ich nachhohlen. Dann gibt es da noch den einen oder anderen Berg, den ich bezwingen möchte und ich bin dabei in den Immobilien Markt einzusteigen. Diesen Sommer möchte ich ans Meer mit dem Kiteboard.